Laut Statistischem Bundesamt wurden Ende 2019 mehr als die Hälfte aller 4,1 Millionen Pflegebedürftigen allein durch Angehörige zu Hause versorgt. 72.700 von ihnen hatten den höchsten Pflegegrad 5, das bedeutet schwerste Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Ein Kraftakt für die pflegenden Angehörigen, die eine 24-Stunden-Rundumbetreuung leisten müssen, und damit schnell an ihre physischen und psychischen Grenzen stoßen. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, sollte möglichst früh Hilfe gesucht und angenommen werden, um selber stark zu bleiben.
Im besten Fall können dann trotz aller Beschwernisse auch die positiven Seiten gesehen und erlebt werden. Um andere Pflegende zu ermutigen, Nähe zuzulassen, hat sich Pfarrer Bernd Melchert, Mehren, entschlossen, seine eigenen Pflege-Erfahrungen zu teilen. Bernd Melcherts an Demenz erkrankter Vater Dietrich lebte seit 2016 nach dem Tod seiner Ehefrau im Haushalt seines Sohnes. Der damals 83-Jährige konnte dank großem Rückhalt der Gemeindemitglieder und Sozialdienste am Leben der Kirchengemeinde teilnehmen. Als sich im Januar 2020 sein gesundheitlicher Zustand deutlich verschlechterte, zog Melchert den Altenkirchener Hospiz- und Palliativberatungsdienst hinzu. „Das war wirklich ein Segen. Ohne den Hospizverein hätte ich die kommenden Monate sicher nicht so gut erlebt“, so Melchert. Auch ein Seelsorger ist in dieser Situation zuerst einmal ein Sohn, der seinen Vater pflegt, der Gespräche, Unterstützung, Rückhalt und Sicherheit braucht. Zusätzlich hielt wöchentlich einige Stunden eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizvereins „die Stellung“, wenn Bernd Melchert eine Auszeit brauchte. „Dietrich Melchert hat nicht mehr viel geredet“, berichtet Monika Gerhardt, die dann an seiner Seite war, mit dem stets freundlichen Mann Musik hörte, ihm vorlas oder einfach seine Hand hielt.
Nach acht Monaten der Begleitung hieß es Abschied nehmen. Auch dies musste Bernd Melchert nicht alleine tun. Hospizkoordinatorin Erika Gierich agierte „als stille Regie im Hintergrund“, half Bernd Melchert die gefühlte Hilflosigkeit auszuhalten. Liegt es an unserer Gesellschaftsform, dass Sterben und Tod tabuisiert, für die Öffentlichkeit weitestgehend unsichtbar in Krankenhäusern abgehandelt werden? Der Hospizdienst möchte Schwerkranke, Sterbende und ihre Angehörigen nicht allein lassen. In seiner Arbeit als Pfarrer und Seelsorger macht Bernd Melchert die Erfahrung, dass dieses wertvolle Angebot den Menschen oft nicht präsent ist. Seine Offenheit soll Mut machen, den Hospizdienst in Anspruch zu nehmen. Nicht erst im akuten Sterbeprozess, sondern schon dann, wenn klar wird, dass der Tod in absehbarer Zeit bevorsteht. Gemeinsamkeit macht stark und die gute Zusammenarbeit im Netzwerk mit den verschiedenen Diensten kann ein Verbleiben zu Hause möglich machen. Melcherts großer Respekt und Hochachtung gelten hier der Leistung der Pflegedienste und der Pflegenden, die zu Coronazeiten uneingeschränkt unterwegs sind. Zusätzlich möchte er das Angebot der hospizlichen Begleitung, die er ebenfalls erfahren durfte, Betroffenen ans Herz legen.